Umbenennung der Wissmannstraße steht bevor

Die bislang versäumte Aufarbeitung der deutschen Geschichte der Kolonialzeit und der in ihr verübten Verbrechen ist ein wichtiger Baustein zur Stärkung der Demokratie in Deutschland. Von daher unterstützt auch die SPD Neukölln vernünftige Schritte, die dazu beitragen. Infolgedessen stellte die SPD in der Bezirksverordnetenversammlung den Antrag, die Wissmannstraße nach einer Frau zu benennen, die in Neukölln gelebt und/oder gewirkt hat oder einen inhaltlichen Bezug zum Thema Antikolonialismus besaß. Infolgedessen wurde das Bezirksamt gebeten, im Rahmen eines Dialogprozesses mit den Anwohnerinnen und Anwohnern der Wissmannstraße eine geschichtliche Aufarbeitung des Straßennamens in die Wege zu leiten.  Schließlich wird das Bedürfnis  und das Bewusstsein in der Bevölkerung, dieses schreckliche Kapitel deutscher Geschichte aufzuarbeiten, immer größer. Und so stieß denn auch  der Aufruf zum Beteiligungsprozess zur Umbenennung der Wissmannstraße auf ein breites Echo durch die Bewohner Neuköllns.

Umbenennung der Wissmannstraße steht bevor 1
v.li. : Bürgervertreterin Frau Julia Lemmle, Herr Mnyaka Sururu Mboro,
Vorstandsmitglied des Vereins Postkolonial e.V., Karin Korte und
Amtsleiter für Weiterbildung und Kultur Matthias Klingenberg
(Organisator des Beteiligungsprozesses).

Bezirksverordneter und Mitglied im Integrationsausschuss, Bijan Atashgahi freut sich: „Ich bin stolz, dass wir in Neukölln die Kolonialgeschichte in einem demokratischen Prozess aufgearbeitet haben und als erster Bezirk in Berlin die Namensänderung vornehmen. Endlich weichen Kolonialisten auf den Straßenschildern ehrenwerten Persönlichkeiten.

In seiner Zeit als Reichskommissar hat Hermann von Wismann zwischen 1888 und 1890 den antikolonialen Widerstand der Küstenbevölkerung in „Deutsch-Ostafrika“, den heutigen Ländern Tansania, Ruanda und Burundi, niedergeschlagen. Außerdem führte Wissmann als Kolonialgouverneur die Besteuerung der Kolonisierten ein. Um ihre Steuern zahlen zu können, mussten die afrikanischen Arbeiter Geld verdienen bei den weißen Siedlern, wo Prügel, Nahrungsentzug und andere Schikanen an der Tagesordnung waren. So führten die Besteuerung und ihren Folgen 1905 zum Maji-Maji-Krieg, in dem „rund 100.000 ostafrikanische Menschen ihr Leben verloren haben.  „Wissmanns Kriegsführung wurde selbst von anderen Kolonialoffizieren als äußerst barbarisch beschrieben, und Wissmann wurde im Reichstag vereinzelt für dessen Grausamkeit kritisiert“, heißt es in der Begründung zur Umbenennung.

Bis zum 26. Juli wurden sage und schreibe mehr als 400 Vorschläge für einen neuen Straßennamen eingereicht. „Dazu schlugen wir vor, die Straße nach einer Frau zu benennen, die in Neukölln gelebt und/oder gewirkt hat oder einen inhaltlichen Bezug zum Thema Antikolonialismus besaß“, so die SPD Fraktionsvorsitzende Mirjam Blumenthal.  Nachdem die Namensvorschläge aus der Bürgerschaft kamen, wählte die Jury drei Namensvorschläge aus, die zuvor von  Prof. Dr. Andreas Eckert, Direktor des Instituts für Asien- und Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin als anerkannten Experten geprüft wurden. Die Jury selbst besteht aus Vertretern der Anwohnerschaft der Wissmannstraße,   Bürgervertreter*innen, einem Experten für Neukölln-Geschichte, einem Kulturwissenschaftler und einem Vorstandsmitglied des Vereins Berlin Postkolonial e.V.. Am 28. September wurden die drei Namensvorschläge, die einvernehmlich ausgewählt wurden, öffentlich präsentiert.  Es handelt sich um Nduna Mkomanile, Lucy Lameck und Fasia Jansen, also „drei herausragende Frauenpersönlichkeiten“, freut sich Kultur- und Bildungsstadträtin Karin Korte (SPD).  Die Namensvorschläge werden am 7. Oktober 2020 den Mitgliedern des Bildungsausschusses vorgestellt. Über die endgültige Namensgebung entscheidet die Bezirksverordnetenversammlung von Neukölln.

Nduna Mkomanile (*? + 1906) war eine Widerstandskämpferin im Maji-Maji-Aufstand (heutiges Tansania). Sie wurde 1906 von Deutschen als einzige Frau gehängt.

Lucy Lameck (*1934 + 1993) war die erste Frau im tansanischen Regierungskabinett. Sie war unter anderem stellvertretende Ministerin für Kommunalentwicklung und Gesundheit und setzte sich sehr für die Verbesserung der Position von Frauen ein.

Fasia Jansen (*1929 + 1997) war eine afrodeutsche politische Liedermacherin und Friedensaktivistin. Im Nationalsozialismus wurde sie zur Arbeit im KZ Neuengamme zwangsverpflichtet. 1991 erhielt sie für ihr Engagement das Bundesverdienstkreuz am Bande. Die Jury bestand aus den Bürgervertreter*innen und Wissmannstraße-Bewohner*innen Hanno Stecher, Dr. Tanja Wälty und Julia Lemmle. Ihr gehörten außerdem als Experten für Neuköllner Geschichte der Leiter des Museums Neukölln, Dr. Udo Gößwald und der Kulturwissenschaftler, Journalist und Autor Bernd Kessinger an. Herr Mnyaka Sururu Mboro und Anette Heit vertraten als Vorstandsmitglied des Vereins Berlin Postkolonial e.V. und als Programmleiterin aus der Werkstatt der Kulturen/Oyoun den thematischen Schwerpunkt Antikolonialismus. Die wissenschaftliche Prüfung der Namensvorschläge oblag Prof. Dr. Andreas Eckert, Direktor des Instituts für Asien- und Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.

Ich freue mich sehr, dass der Beteiligungsprozess zur Namensfindung und Umbenennung der Wissmannstraße nun in die nächste Phase geht. Ich danke der Jury, die sich nach einem intensiven Austauschprozess einvernemhlich für drei Frauen Entschieden hat. Jetzt hat die BVV das letzte Wort. Voraussichtlich im November wird die endgültige Entscheidung fallen. Ich bin sehr gespannt. Aus meiner Sicht, wären alle drei Frauen gute Namensgeberinnen,“ so Stadträtin für Bildung, Schule, Kultur und Sport, Karin Korte.