Klausurtagung des Kreisvorstands und der BVV-Fraktion

Klausurtagung des Kreisvorstands und der BVV-Fraktion 1Der SPD-Kreisvorstand und die SPD-Fraktion in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung trafen sich am 27. und 28. August zu einer Klausurtagung im Brandenburgischen Zeuthen. 40 Funktionärinnen und Funktionäre diskutierten zwei Tage lang mit hochkarätigen Referenten über neue Wege in der Kinder- und Bildungsförderung. Im Zentrum stand die Debatte über einen Paradigmenwechsel weg vom Alimentierungsprinzip, hin zu einer starken institutionellen Förderung von Kindern und Familien.

Am Freitag begrüßten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Prof. Dr. Gunnar Heinsohn (Universität Bremen), der über die „Veränderungen der Sozialstruktur durch Wanderungsbewegungen und demographische Entwicklung“ referierte. Er präsentierte sozio- und demographische Fakten, die verdeutlichten, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um dem demographischen Wandel und dem damit einhergehenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Als Lösungsmöglichkeit schlug Prof. Heinsohn unter anderem alternative Formen der finanziellen Familienunterstützung als Anreizinstrument und ein neues Zuwanderungsrecht vor, um dem Geburtenrückgang und Fachkräftemangel – und letztendlich auch den damit einhergehenden Folgen für die Sozialkassen – zu begegnen.

Am Samstag hielt Prof. Dr. Hartmut Häussermann (HU Berlin) einen Vortrag über die „Gespaltene Kindheit? Bevölkerungszusammensetzung und Bildungsproblematik in Berlin und Neukölln“. Prof. Häussermann erstellt jährlich das Sozialmonitoring für den Berliner Senat und gilt als „Geburtshelfer“ des Quartiermanagements. Er präsentierte detaillierte Zahlen und Fakten über die Sozialstruktur im Neuköllner Norden und unterstrich den Zusammenhang zwischen Bevölkerungszusammensetzung und Bildungsproblematik am Beispiel Nord-Neuköllns.

Anschließend stellte Prof. Dr. Rüdiger Ernst (Richter am Kammergericht) das Rechtsgutachten von Prof. Dr. G. Witzsch (FH Münster) über den rechtlichen Rahmen für einen Paradigmenwechsel in der Familien- und Bildungspolitik vor. Dabei ging Prof. Ernst auf die dezidierten Fragestellungen des Gutachtens ein und erläuterte die juristischen Antworten von Prof. Witzsch.

Er verdeutlichte, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur verfassungsrechtlich unzulässigen Intransparenz bei der Berechnung der Höhe des Hartz IV-Satzes von Kindern aus der Würde des Menschen (Art. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) ein Grundrecht auf ein Existenzminium mit einer pysischen und sozialen Seite ableite – letzte mit einem Mindestmaß an Teilhabe am kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Leben.

Außerdem macht Prof. Witzsch deutlich, dass die Versorgung für Kinder auf Basis von Sach- und Dienstleistungen statt Geldleistungen (z.B. Ganztagsbetreuung, Kita, freie Heilfürsorge, etc.) verfassungsrechtlich möglich sei.

Eine mögliche Sanktionierung bei Verletzung der elterlichen Fürsorgepflicht durch Verweigerung oder Kürzung von Zuwendungen sieht Prof. Witzsch ebenfalls als rechtlich zulässig. Dies könne das Kindergeld betreffen oder auch Sozialleistungen, setze jedoch immer eine richterliche Individualprüfung voraus.

In der auf die Vorstellung des Gutachtens folgende Diskussion stimmten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darin überein, dass das Kindergeld kein Existenzminimum gewährleistendes Instrument des Staates ist, sondern eine Äquivalenz für erzieherische Leistungen. Eine Kürzung des Kindergelds bei Verletzung der elterlichen Fürsorgepflicht schaffe einen Anreiz für die Eltern, es nicht zu einem Sorgerechtsentzug kommen zu lassen.

Abschließend begrüßten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Polizeihauptkommissar Christian Horn von der Polizeidirektion 5, zu der auch Neukölln zählt. Er erläuterte den Arbeitsalltag von ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen in sozial schwierigen Kiezen und formulierte „Anforderungen der Praxis an Gesetzgeber und Exekutive“.

Last but not least diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die gewonnenen Erkenntnisse und berieten über eine gemeinsame Erklärung „Damit Solidarität Zukunft hat: Neue Wege für Kinder und Familien“, die vom Kreisvorstand am 6. September verabschiedet werden soll – und in der die Erkenntnisse und Diskussionsergebnisse der Klausurtagung aufgegriffen werden.