Britzer feierten 100 Jahre Krugpfuhlsiedlung

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Der SPD Vize-Fraktionsvorsitzende Peter Scharmberg und Michael Morsbach (v.li.) gratulieren zu 100 Jahren Krugpfuhlsiedlung

Im Rahmen des Jubiläums „650 Jahre Britz“ feierten die Bewohner der Krugpfuhlsiedlung am 5. Juli das 100-jährige Bestehen ihrer Siedlung mit Live-Musik, Chorgesang, Vergnügungen für die Kinder, Kaffee und Kuchen sowie leckeren Speisen und Getränken zu zivilen Preisen. Dafür wurden auf der Wiese, die an die Rambowstraße grenzt, Biertischgarnituren, eine kleine Bühne und Stände aufgebaut und für die Jüngsten Spielmöglichkeiten bereitgestellt. Auch ein kleines Quiz gab es. Die meisten Fragen konnten allerdings nur jene beantworten, die einen Blick in die wundervolle Schriftenreihe „Britzer erzählen“ des Gesprächskreises Britz geworfen hatten. Für unsere Fraktion vor Ort waren der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Peter Scharmberg und unser Bezirksverordneter Michael Morsbach. Sie wurden dann auch von der Sprecherin der Siedlergemeinschaft, Renate Neumann, ganz herzlich begrüßt.

Dann hatte der Siedlungsbewohner Rolf Streu vom Britzer Erzählkreis das Wort und blickte in die Geschichte der Siedlung. Er erinnerte an Martin Wagner (1885–1957), der von 1926 bis 1933 Berliner Stadtbaurat war. Dessen vorrangiges Ziel war es, für jeden Menschen eine gesunde Wohnung zu bauen, auch für die mit kleinem Geldbeutel. Nach Plänen von Wagner und Bruno Taut entstand unter dem Dach der sozialdemokratisch und gewerkschaftlich geprägten gemeinnützigen Heimstätten-, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft (GEHAG) auf den Britzer Feldern zwischen 1925 und 1933 die Hufeisensiedlung. Parallel dazu bauten die Architekten Engelmann und Fangmeyer für die von Beamten- und Angestelltenverbänden geprägte „Deutsche Gesellschaft zur Förderung des Wohnungsbaus“ (DeGeWo) zwischen 1925 und 1927 die Krugpfuhlsiedlung. Schließlich legte die stark sozialdemokratisch geprägte Weimarer Republik in Artikel 155 ihrer Verfassung das Ziel fest, „dass jedem Deutschen eine gesunde Wohnung, und allen deutschen Familien, besonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschaftsstätte“ zustehe. Jede Wohnung, die auf den Britzer Wiesen entstand, sollte mindestens ein großes Zimmer mit 20 Quadratmetern aufweisen, und kein Zimmer sollte kleiner sein als 14 Quadratmeter. Des Weiteren sollte jede Wohnung mit einem Bad und einer Küche ausgestattet sein, die nicht kleiner als zehn Quadratmeter sein sollte. Auch daran erinnerte Streu in seiner Rede. Damit begründete Wagner die Idee des „sozialen Wohnungsbaus“, an dem der Staat aktiv mitwirkt.

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Renate Neumann nimmt die Ehrung für ihr Engagement aus den Händen von Rolf Streu entgegen

Mit der Hufeisensiedlung wollten die Architekten Taut und Wagner ein Musterbeispiel für die Moderne schaffen. Die Krugpfuhlsiedlung, in unmittelbarer Nachbarschaft gelegen, ist noch in traditionalistischer Bauweise entstanden. Gebaut wurden zweigeschossige Einfamilienhäuser mit einem 150 Quadratmeter großen Garten in einer differenzierten Raumabfolge und überwiegend dreigeschossige Mehrfamilienhäuser in der Randbebauung mit je sechs Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen mit Küche, Bad und Laube. Hinzu kamen elf Läden.

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Die Architekten wollten die Siedlung mit ihren 892 Wohnungen harmonisch ins Berliner Stadtbild aufnehmen. Ganz im Sinne der sogenannten Gartenstadt-Idee verfügt die Siedlung über öffentliche Grünanlagen, Spielplätze und Promenadenwege. Beide Siedlungen sollten Licht, Luft und Sonne bieten, als Kontrapunkt zu den tristen Mietskasernen in der Stadt. Die einzige Gemeinsamkeit mit der Hufeisensiedlung, die sich architektonisch an der „Neuen Sachlichkeit“ orientiert und schnörkellos daherkommt, bilden Pfuhle als zentrale Teichanlage in der Mitte der Siedlung. Den Krugpfuhl nennen die Bewohner liebevoll „Eierteich“. Veränderungen erfuhr die Siedlung durch den Krieg und den Prozess der Privatisierung. So entstanden nach dem Krieg durch den Wiederaufbau der zerstörten Gebäude in der Hanne-Nüte-Straße 31 bis 45 sowie der Malchiner Straße 55 bis 57 Etagenwohnungen mit Balkonen in den Obergeschossen. Zusätzlich wurden die ursprünglichen Blendgiebel durch normale Giebel ersetzt, schreibt Barbara Hoffmann in ihrem Beitrag „Die Krugpfuhlsiedlung – architektonischen Traditionen verpflichtet“ für das lesenswerte Buch „Das Ende der Idylle: Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung vor und nach 1933“.

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Um die Krugpfuhlsiedlung in ihrer architektonischen Eigenart zu schützen, hat das Bezirksamt Neukölln am 5.12.2006 beschlossen, die Krugpfuhlsiedlung durch eine „Erhaltungsverordnung“ unter Schutz zu stellen. Dennoch wurde die Krugpfuhlsiedlung modernisiert, um sie an heutige Wohnstandards anzupassen. Allerdings müssen alle Baumaßnahmen mit dem Denkmalschutz abgestimmt und behutsam ausgeführt werden, um den einzigartigen Charakter der Siedlung zu erhalten.

„Das Fest zum 100-jährigen Jubiläum der Krugpfuhlsiedlung zeigte, wie sehr die Bewohner der Krugpfuhlsiedlung ihre Siedlung lieben. Sie in ihrer ursprünglichen Bauart zu bewahren, ist für sie nicht immer leicht. Von daher gebührt ihnen für ihr Engagement großer Dank“, kommentiert Peter Scharmberg das Jubiläumsfest.

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