Corona und steigende Materialpreise verzögerten den Neubau des Nachbarschaftsheim Neukölln. Er konnte dennoch 2021 nach etwas mehr als zwei Jahren Bauzeit eröffnet und pünktlich am 17. September zum 75. Jubiläum mit einem symbolischen Schlüssel an die Nutzer eingeweiht werden. Unsere Fraktionsvorsitzende Cordula Klein wurde zur Festveranstaltung von Barbara Schünke, der Leiterin der Einrichtung, persönlich begrüßt.
Cordula Klein freut sich, „dass der Standort nun so schön gestaltet wurde. Das Kiezcafé wurde neu eröffnet, man kann sich dort treffen und austauschen. Danke auch besonders an die Vorstandsmitglieder, die in unendlich vielen Sitzungen die Bauphasen mit allen Höhen und Tiefen begleitet haben. Jetzt ist ein hellerer Leuchtturm im Kiez da.“
Mit dem 9 Mio. Euro Neubau in der Schierkerstraße gegenüber dem Körnerpark gibt es nun auch Platz für 80 Kinder, ein Familienzentrum, ein Anlaufpunkt für soziale Beratung, einen eigenständigen Kinder- und Jugendbereich und Angebote der Stadtteilarbeit unter einem Dach. Die Räume sind hell und freundlich gestaltet und entsprechen modernen Anforderungen gemeinwesenorientierter Arbeit. Realisiert werden konnte der Neubau mit Hilfe von umfangreichen Mitteln aus dem Programm Soziale Stadt, Finanzierungen aus dem Kita-Ausbau-Programm sowie Eigenmitteln.
Das Nachbarschaftsheim in der Schierker Straße blickt auf eine bewegte Geschichte zurück: Bereits 1947 plante der amerikanische Verband christlicher Frauen (YWCA) das Nachbarschaftsheim in Neukölln, dem am dichtest bevölkerten Arbeiterbezirk Berlins. 1948 folgten erste Ausbauten und Arbeiten in der Werbellinstraße. Dafür wurde eine ehemalige Wehrmachtsbaracke zur die eigens aus Dahlem in 436 Teilen kam, zur Verfügung gestellt. Platziert wurde die Baracke Schierker / Ecke Schierker Platz, etwa dort, wo sich heute der Neubau befindet. Dafür musste in 10monatiger freiwilliger Arbeit Schutt beseitigt werden, um der Baracke ein sicheres Fundament zu bieten. 40.000 Steine wurden durch ein internationales Aufbaulager, gereinigt und geklopft, bis die Baracke schließlich am 19. August 1949 eröffnet wurde. 1950 stellte JJ Mc Cloy 183.378 DM für einen Neubau als Beitrag des amerikanischen Volkes zur Verfügung. Als Hoher Kommissar war er von 1949 bis 1952 maßgeblich am Wiederaufbau Nachkriegsdeutschlands beteiligt. Der von Max Taut entworfene Neubau konnte am 24. Mai 1952 eröffnet werden, es zog die Evangelische Schule Neukölln ein. 1953 folgte die Gründung des Nachbarschaftsheim Neukölln. 1957 gab es einen Rock´n Roll Club. Ende der 60er Jahre ging es auch schon mal härter zur Sache. Die Rockerbande „77“ lieferte sich Saalschlachten. In den 1970er Jahren konnte das Grundstück mit Hilfe von Lottogeldern gekauft werden. Das Jahr 1972 war kreativ und stürmisch zugleich. Einerseits entstand hier Neuköllns erster Bauspielplatz, andererseits kam es zum „Sturz“ der Heimleitung“ mit der Folge der Selbstverwaltung durch die Mitarbeiter*innen. Statt Gruppenarbeit galt nun das Prinzip der „offenen Tür“. 1981 startete ein deutsch –türkisches Integrationsprojekt, auch wurde das Projekt „Stattknast“ initiiert, fortan wurde künstlerisch-kreativ mit straffälligen Jugendlichen gearbeitet. Die Jugendarbeit musste jedoch Anfang der 80er wegen Dauerkonflikten mit gewaltbereiten Jugendlichen und Mitgliedern der neonazistischen „Wiking-Jugend“ eigestellt werden. Die „Wiking-Jugend“, die an die Hitler Jugend angelehnt war, wurde erst 1994 verboten. 2002 wurde der Bauspielplatz geschlossen. Drei Jahre danach öffnete die Kinder- und Jugendgalerie neben dem Stattknast ihre Pforten. Schließlich wurde das Haus 2010 modernisiert und seit 2019 nennt sich die Einrichtung „Nachbarschaftshaus am Körnerpark“. Am heutigen Tag zur 75 Jahr-Feier und zur symbolischen Weihe des Neubaus ist von den teils stürmischen Zeiten in der Geschichte des Nachbarschaftszentrums nichts zu spüren: Es herrscht allseits große Freude bei Tanzvorführungen mit internationalem Flair und Besuchern aus vielen Ländern, die mit ihrer Kultur zum Fest beitragen. Die „Cool Kids“ treten auf mit Rap, eine Clownin bringt Kinder zum Lachen, ein Theaterstück wird aufgeführt, und Zeitzeugen aus den 60er Jahren berichten über die Vorzüge, die ihnen die Einrichtung bot. Ein Rollstuhlfahrerin lobte, wie gut sie sich hier als junge Frau aufgehoben fühlte, obgleich man damals noch nicht von Inklusion sprach. Eine damals junge Mutter freute sich, dass sie ihre Kinder hier in guter Obhut wusste und einmal die Woche ein paar Stunden Zeit hatte, um Wäsche im Waschsalon zu waschen oder andere wichtige Dinge in Ruhe zu erledigen. Die Zeitzeugeninterviews führte unser Fraktionär Wolfgang Hecht, der sich seit 1978 ebenfalls im Verein engagiert.