„Selten, dass man dieses Lied ausserhalb von Parteitagen hört“, beginnt die Neuköllner SPD-Vorsitzende Franziska Giffey ihre kurze Rede anlässlich der Enthüllung einer Gedenktafel für Franz Künstler. Die Zuhörer nicken. „Wann wir schreiten Seit an Seit“, das alte Lied der Arbeiterbewegung, das hier heute am Neuköllner Weigandufer erklingt, fällt auf. Aber, so Dr. Heiner Wörmann, Leiter der historischen Kommission der SPD, es passt eben zum großen Sozialdemokraten Künstler. Als Dr. Ingrid Fricke, Historikerin und Biografin, aus dem langen und engagierten Wirken des Reichstagsabgeordneten und ersten Berliner Vorsitzenden der SPD nach dem Wieder-Zusammenschluss 1923 vorträgt, bleiben auch einige Passant*innen stehen und hören zu. „Ich freue mich, dass wir in Rixdorf endlich wieder eine Erinnerung an diesen herausragenden Genossen haben“ bedankt sich der örtliche SPD-Vorsitzende Marko Preuß im Gespräch bei den Beteiligten. Mehrere Jahre hat es schliesslich gedauert, viel Arbeit war nötig, Standort und Geld zusammenzubekommen.
Am Ende entdeckt der Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu am Fenster des anliegenden Cafes „Zimt und Mehl“ den Spruch „Franz Künstler wäre mit Sicherheit Kaffeegenießer am Weigandufer“. Als er kommentiert: „Ein Neuköllner Sozialdemokrat weiss: das stimmt“, widerspricht ihm an diesem sonnigen Nachmittag am Neuköllner Schiffahrtskanal niemand.
*Franz Künstler (13. Mai 1988 – 10. September 1942), von Beruf Maschinenschlosser, war Gewerkschafter, Sozialdemokrat, Soldat und Kriegsgegner im Ersten Weltkrieg, Mitglied der USPD ab 1917, Rückkehr zur SPD 1922, von 1923 bis zum Verbot 1933 Vorsitzender der Berliner SPD, 1920-1933 Reichstagsabgeordneter. Von den Nationalsozialisten verfolgt, war er trotz KZ-Haft im Widerstand aktiv; seine Beerdigung 1942 wurde zu einem stummen Massenprotest.