
Auch Jahrzehnte nach dem ersten Internationalen Romatag (8. April 1971) sind Sinti und Roma einem zunehmenden Antiziganismus in Form von Hassverbrechen, Hassreden, Zwangsräumungen, rassistischer polizeilicher Erfassung, Schulsegregation und struktureller Diskriminierung in unserer Gesellschaft ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund betonte Georgi Ivanov, der stellvertretende Vorsitzende des Vereins „Amoro Foro“, am 8. April vor dem Rathaus Neukölln, wie wichtig die Hissung der Roma Fahne an diesem Tag ist. Ivanov wies darauf hin, dass die Roma-Flagge in allen Berliner Bezirken gehisst wird und würdigte unseren Bezirk, weil hier vor sechs Jahren zum ersten Mal die Roma-Flagge vor dem Rathaus gehisst wurde. „Es sei wichtig, die Sichtbarkeit zu stärken“, so Ivanov.
Der so genannte Roma Day erinnert an den ersten Internationalen Roma-Kongress vom 8. April 1971 in London, der das Ziel hatte soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung zu erreichen. Diese erste internationale Vereinigung der Roma war Zeichen eines neuen Selbstbewusstseins, das seinen Ausdruck in einer eigenen Hymne, einer eigenen Flagge und der Einigung auf die Selbstbezeichnung Roma fand. In den vergangenen zehn Jahren habe man viel erreicht, so Ivanov. So blicke man bereits auf zehn Jahre „Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA)“, die zur Erfassung antiziganistischer Vorfälle gegründet worden sei. Ein Fortschritt sei es auch, dass es seit 2022 auf Bundesebene mit dem Rechtsanwalt Dr. Mehmet Daimagüler einen Antiziganismusbeauftragten der Bundesregierung und nun auch in Berlin eine Ansprechperson für Antiziganismus auf Landesebene gebe. Schon weil jeden Tag Sinti*zze und Rom*nja Diskriminierungserfahrungen machen, sagte Ivanov. Der kürzlich veröffentlichte Bericht der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) zu Antiziganismus im deutschen Bildungssystem belege eindrücklich, dass der Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja bereits im Kindergarten und in der Schule ansetze, heißt es von Seiten der von unserer Senatorin Cansel Kiziltepe geführten Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung. Mobbing, verbale und körperliche Angriffe – auch seitens der Lehrkräfte – prägen demnach den Alltag vieler Kinder dieser Minderheit. „Das Menschenrecht auf Bildung wird in Deutschland für Personen, die von Antiziganismus betroffen sind, systematisch und rassistisch fundiert eingeschränkt. Darüber hinaus ist strukturelle und institutionelle Diskriminierung von Sinti und Roma eine alltägliche Realität im deutschen Bildungsbereich“, heißt es dazu im Monitoring-Bericht der MIA.
An der Hissung der Roma-Flagge nahm traditionell auch unser Bezirksbürgermeister Martin Hikel sowie mit Wolfgang Hecht ein Mitglied unser Fraktion und mit Hakan Demir unser Mitglied der Bundestagsfraktion teil. Hikel zur Seite stand die Ansprechperson für Antiziganismus des Landes Berlin, Alina Voinea. Sie habe, wie sie berichtet, bereits kurz nach ihrem Amtsantritt am 17. März des Jahres „eine Meldung zu einem antiziganistischen Vorfall in einer Berliner Schule“ erreicht. Dass Sinti- und Roma-Kinder weltweit Ausgrenzung und Anfeindungen ausgesetzt seien, sei ihr bekannt gewesen. Und doch erschüttere sie „jeder Einzelfall aufs Neue. In Zusammenarbeit mit den Roma-Selbstorganisationen möchte sie aktiv“ gegen Anfeindungen vorgehen. Zugleich betonte sie, dass am 8. April an verschiedenen Orten und auf den Straßen Berlins die Kraft und Widerstandsfähigkeit dieser Communities“ zu sehen sei. In diesem Zusammenhang würdigte sie das Engagement von Amoro Foro und „die Angehörigen und ihren Kampf um Gleichberechtigung und Anerkennung.“ Unser Bezirksbürgermeister legte den Schwerpunkt seiner Rede auf die aktuelle Diskussion um die Sendung zum 75jährigen Jubiläum der ARD. Der Sender hatte einen berühmten Sketch von Hallervorden wieder aufgelegt, in welchem der Komiker das N-Wort und das Z-Wort verwendet, wobei das N-Wort für eine rassistische Bezeichnung für Schwarze und das Z-Wort für eine diskriminierende Bezeichnung von Sinti*zze und Rom*nja stehen. Das seien „Scherze auf Kosten von Minderheiten. Selbst wenn man es persönlich nicht rassistisch oder diskriminierend meine – Worte tragen dazu bei, dass ein bestimmtes Bild auf Menschen geworfen wird. Von daher und im Rahmen der Selbstermächtigung müsse man Rücksicht nehmen, dass man einige Worte nicht mehr sage, so Hikel.
Unser Fraktionär Hecht freute sich, dass die Hissung der Roma-Flagge in Neukölln auch in diesem Jahr gut besucht war und begrüßte es, dass in der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung in Berlin im Januar des Jahres der erste Beirat für Angelegenheiten von Rom*nja und Sinti*zze in Deutschland seine Arbeit aufgenommen hat, der zudem gesetzlich verankert ist und neben deutschen auch ausländische beziehungsweise nach Deutschland eingewanderte Rom*nja und Sinti*zze mit ein bezieht. Dies sei in Zeiten des Erstarkens des Rechtspopulismus ein wichtiger Beitrag, um der Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen entgegenzutreten und unser demokratisches Miteinander in Berlin zu stärken, so Hecht.