Ihre Früchte sind seit Jahrhunderten begehrt, ob zur Verwendung einer Nachspeise für die Reichen oder als notwendiges Nahrungsmittel für die Armen, die mit ihrer Hilfe überleben konnten – die Rede ist von der Ess-Kastanie, dem Baum des Jahres 2018, der seit dem 9. Mai am Eingang Columbiadamm steht und damit Teil des Baumlehrpfades im Volkspark Hasenheide ist. In die Erde gebracht wurde die noch junge Pflanze von Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne), dem Leiter des Grünflächenamtes Bernd Kanert und dem Vorsitzenden des Neuköllner Ausschusses für Straßen, Grünflächen und Ordnung Marko Preuß (SPD). Dessen Mitglieder nahmen im Vorfeld ihrer öffentlichen Sitzung an der Pflanzung teil, unter ihnen der SPD Fraktionär Peter Scharmberg. Nach der Baumpflanzung wurde eine Informationstafel enthüllt und Bernd Kanert beantwortete die Fragen der anwesenden Bezirksverordneten und Bürger. Außerdem stellte er die Neuauflage der Broschüre „Baumlehrpfad Hasenheide“ vor. Die Ess-Kastanie ist der 30. Baum des Jahres, der in der Hasenheide seit 1989 gepflanzt wurde. Mit Eibe, Esche und Erle fing es an, auf sie folgten die Wildbirne, die Vogel-Kirsche und die Traubeneiche. Im vergangenen Jahr fand die gemeine Fichte einen Platz am Baumlehrpfad.
Die Ess-Kastanie kam mit dem etwa um 400 vor unserer Zeitrechnung Griechen in den Mittelmeerraum, mit den Römern nach Mittel- und Westeuropa und fand von hier aus wohl seinen Weg über eine Handelsroute nach Süddeutschland. Namensverwandt sind sie, aber mehr auch nicht, die Ess-Kastanie und die Rosskastanie haben außer der großen Ähnlichkeit ihrer reifen Früchte, den aus stacheligen Kugeln herausplatzenden, glänzend mahagonibraunen Kastanien, nichts gemein. Blätter, Blüten, Blütenstände sind total verschieden, erklärte Herr Kanert nach der Pflanzung. Während die Ess-Kastanie zur Familie der Buchengewächse gehört und mit heimischen Eichen und Buchen verwandt ist, zählt die Rosskastanie wie der Ahorn zu den Seifenbaumgewächsen, die meist in den Tropen heimisch sind. Ebenso wie die Ess-Kastanie kam die Rosskastanie aus der Ferne zu uns. Man geht davon aus, dass sie um das 16. Jahrhundert im Diplomatengepäck aus Interesse an fremdländischer Botanik nach Mitteleuropa kam, wo sie nur bei guter Pflege in der Obhut des Menschen in Städten, Dörfern, Parks, Gärten und Alleen gut gedeihe, so Kanert. Während die Rosskastanie bereits von den Osmanen als Pferdefutter eingesetzt wurde, eignet sich die Ess-Kastanie als fettarme, stärkereiche und süßliche Marone für Suppen, Beilagen oder Süßspeisen. Sie war bereits in der Antike für die Wohlhabenden eine Delikatesse. Für Menschen in Bergregionen wie im Tessin und in Ligurien, war die Ess-Kastanie bis ins 19. Jahrhundert hinein das Hauptnahrungsmittel und kam geröstet oder gemahlen und gekocht als Suppe, Polenta oder als Brot auf den Tisch. Weiterer Vorteil: „Gedörrte Kastanien und Kastanienmehl waren bis zu zwei Jahre haltbar“, so Fenner von Robin Wood. Sie galten den Menschen bei Hungersnöten als lebensrettendes Nahrungsmittel. Die Ess-Kastanie mit ihrer gelblichweißen Blütenpracht kann über 35 Meter hoch werden, das höchste deutsche Exemplar ist 40 Meter hoch und steht im Hamelner Stadtwald. Die älteste Ess-Kastanie der Welt soll 2000 Jahre alt sein, steht in Sant‘ Alfio am Osthang des Ätnas und besteht aus drei Stammfragmenten, wobei nur einer schon einen Umfang von 22 Metern misst.
Die Broschüre „Baumlehrpfad in der Hasenheide“ ist kostenfrei online, direkt im Tierpark Hasenheide oder in der Hasenschänke im Volkspark Hasenheide erhältlich. Die Idee für den Tag des Baumes kommt ursprünglich aus dem nordamerikanischen Bundesstaat Nebraska. In Deutschland wurde der 25. April für den Tag des Baumes nach der Pflanzung eines Ahorns am 25. April 1952 durch den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuß im Bonner Hofgarten ausgewählt. „Der Baumlehrpfad ist einer von vielen Gründen, unseren Volkspark Hasenheide zu besuchen und mit einem schönen Spaziergang mit Informationen über unsere Umwelt zu verbinden. Schön, dass unser Bezirk einst die Idee der „Baum des Jahres Stiftung“ aufgenommen hat. Und natürlich immer wieder schön, wenn man weiss: Was wir heute gepflanzt haben, wird uns weit überleben, meint Grünflächenausschussvorsitzender Preuss.