61.Jahrestag des Mauerbaus

Gemeinsames Gedenken an die Maueropfer mit Treptow-KöpenickErinnerung an Fluchttunnel und Fluchthelfer

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Neuköllns Bezirksstadträtin Karin Korte mit Bezirksverordnetenvorsteher Lars Oeverdieck (re.) und SPD-Fraktionär Wolfgang Hecht (li.)

Zu einem bezirksübergreifenden Gedenken an den Bau der Berliner Mauer war unsere Stadträtin für Bildung, Schule und Kultur Karin Korte von unserem Genossen Oliver Igel, Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick an die Bezirksgrenze eingeladen worden.  Zusammen mit den Bezirksverordnetenvorstehern Treptow-Köpenick und Neukölln,  Peter Groos und Lars Oeverdieck, wurden Blumen an der ins Pflaster eingelassenen Bodenplatte in der Heidelberger Straße Ecke Elsenstraße niedergelegt. An der Gedenkveranstaltung nahmen auch Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung teil, so etwa unser Fraktionsmitglied Wolfgang Hecht.

Karin Korte würdigte in ihrer Gedenkrede den Fluchthelfer Heinz Jercha. „Heute gedenken wir Menschen, wie Heinz Jercha, der unweit von hier als Fluchthelfer mit nur 27 Jahren durch die Kugeln eines Stasi-Schergen getötet wurde. Er starb beim Versuch, zwei Ostberliner Studenten durch einen Fluchttunnel auf die westliche Seite zu bringen“ , erinnerte Korte. An Jercha erinnert am Haus Heidelberger Straße 35 eine Gedenktafel. Oliver Igel widmete seine Rede Harry Seidel, der Jerchas Tod am 27. März 1962 miterlebte. Jercha wurde von einem Querschläger, abgeschossen von einem Mitglied eines Kommandos des Ministeriumms für Staatssicherheit, in die Brust getroffen. Jercha erreichte zusammen mit Seidel noch das Haus Heidelberger Straße 25, erlag aber schließlich seinen Verletzungen.

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„Ich finde es sehr wichtig, dass Menschen unserer beiden Bezirke heute am 13. August, dem verhängnisvollen Tag des Mauerbaus, (der sich nunmehr zum 61. Mal jährt), hier innehalten und an die Menschen erinnern, die sich nicht mit dieser Mauer abfinden wollten und dafür einen hohen Preis bezahlten. Im schlimmsten Fall bezahlten sie ihren Freiheitswillen mit dem Leben. Die Mauer, die unsere Stadt für fast drei Jahrzehnte zerschnitt und Familien gewaltsam voneinander trennte – ist glücklicherweise Geschichte. Die Wunden, die sie hinterließ, jedoch sind noch immer nicht vollständig verheilt. Besonders bei den Familien, die persönlich betroffen waren, durch Familientrennung, Verfolgung und Tod durch Mauerschützen“, hob Korte in ihrer bewegenden Rede hervor.

Heinz Jercha war von Beruf Fleischer und lebt mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind seit Ende der 50er Jahre in West-Berlin. Seit der Fertigstellung des Fluchttunnels ab dem 21. März 1962 verhelfen Heinz Jercha und seine Mitstreiter auf diesem Weg Dutzenden von DDR-Bürgern zur Flucht. Am Tag seines Todes versuchte er zwei Ostberliner Studenten durch den Fluchttunnel auf die westliche Seite zu bringen. Doch die Fluchthelfer wurden verraten von einem inoffiziellen Mitarbeiter der Stasi, der im Haus Heidelberger Straße 75 wohnte. „Als Heinz Jercha am 5. April 1962 auf dem Zehlendorfer Waldfriedhof beerdigt wird, erweisen ihm Vertreter des Bundes, des Senats und der West-Berliner Bezirke die letzte Ehre!“ Ich verneige mich vor Menschen wie Heinz Jercha, der so jung sein Leben für die Freiheit anderer Menschen opferte. Um zu begreifen, wie konfrontativ die Situation hier an einer der vielen Nahtstellen zwischen Freiheit und Diktatur war, muss man sich immer wieder mit der Geschichte auseinandersetzen und sie durch eine gemeinsame Erinnerungskultur, wie sie zwischen unseren beiden Bezirken seit dem Mauerfall in verschiedener Weise entwickelt wird, zum Sprechen bringen“, sagte Korte zum Schluss.

Oliver Igel erinnerte in seiner Rede an den einst erfolgreichen Bahnradsportler und Fluchthelfer Harry Seidel (02.04.83 – 08. 08. 2020), der zum Staatsfeid Nr. 1 der DDR wurde. Seidel gelang am Tag des Mauerbaus 1961 die Flucht in den Westen, er holte seine Frau und seinen Sohn im Septembernach, Seidel fand eine Lücke im Grenzzaun in der Kiefholzstraße. Auch nach dem Tod von Jercha, setze er sein Engagement als Fluchthelfer fort. Im Gegensatz zu Fritz Wagner, der Geld für die Flucht nahm, riskierten Jercha und Seidel ihr Leben, ohne Geld von den Geflüchteten zu nehmen. Am 31. Mai 1962 begannen Seidel und Wagner an einem weiteren Tunnel in der Heidelberger Straße 28/29 zu arbeiten. Er führte von der Gaststätte Heidelberger Krug auf West-Berliner Seite in den Keller eines Fotogeschäfts in der Elsenstraße auf der Ostseite. Etwa 55 Menschen gelang am 11. Juni 1962 hier die Flucht. Danach entdeckten DDR Sicherheitsorgane das 75 Meter lange Bauwerk. Doch Seidel baute zusammen mit anderen einen weiteren Tunnel in der Heidelberger Straße, wo zwei Ostberlinern die Flucht gelang. Am 14. November 1962 wurde er bei der Fluchthilfe in einem Tunnel in Kleinmachnow von der Stasi verhaftet. In einem Schauprozess warf man ihm absurderweise vor, Vorbereitungen für einen Angriffskrieg unternommen zu haben. Die DDR Diktatur verurteilte ihn zu lebenslänglicher Haft. Er wurde aber nach vier Jahren Haft von der Bundesrepublik frei gekauft und arbeitete fortan beim Senator für Inneres, zuständig für die politisch und religiös Verfolgten des Nationalsozialismus. „Es war für mich eine sehr emotionale Situation: Wir stehen im ehemaligen Grenzgebiet und erfahren, wie die Fluchthelfer in den 60er Jahren durch den Bau von Tunneln Menschen von Ost nach West geholfen haben und wie es ihnen später in den DDR-Gefängnissen erging. Hoffnung und Scheitern – beides war möglich“, so unser Fraktionär Wolfgang Hecht.